Entwicklung der Baubranche in der Metropolregion Hamburg | Im Rahmen des dba Magazins – Ausgabe Metropolregion Hamburg 2024/2025 – präsentiert Michael Seitz in einem Vorwort aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen der Baubranche in Hamburg und Umgebung.
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
die Bau- und Ausbauwirtschaft in der Metropolregion Hamburg steht in den kommenden Jahren vor gewaltigen Herausforderungen: Einerseits ist die Reduktion von klimaschädlichen Treibhausgasen beim Neubau wie bei der Sanierung von Gebäuden – insbesondere im Bereich Heizung und Dämmung – aus Gründen des Klimaschutzes unumgänglich. Andererseits besteht in Hamburg wie in allen Metropolen Deutschlands eine riesige Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum. Aber: Nachhaltig, d. h. umwelt- und klimafreundlich und zugleich kostengünstig zu bauen, geht das überhaupt? Das ist die Gretchenfrage, und deshalb hat die Hamburger Bau- und Ausbauwirtschaft im Mai des Jahres 2024 genau diese Frage im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit Fachleuten und mit der Öffentlichkeit diskutiert.
Gerade beim Wohnungsbau war Hamburg viele Jahre lang ein Vorbild: Die Initiatve vom Ex-Bürgermeister Scholz, alljährlich 10.000 Wohnungen zu bauen, trug bis ins Jahr 2021 Früchte und dämpfte den Anstieg der Mieten in Hamburg im Vergleich zu anderen Metropolen. Seit 2022 ist es damit allerdings vorbei. Hohe Zinsen, gestiegene Baukosten oder explodierende Grundstückspreise, zusammengestrichene Förderprogramme auf Bundesebene und nicht zuletzt die weltweite Unsicherheit schrecken Investoren im Wohnungsbau ab und lassen viele Projekte in der Schublade verschwinden. Die gestiegenen Kosten führen zu Mietpreisen von 20 Euro und mehr, die selbst von Mietern mit mittlerem Einkommen nicht mehr bezahlt werden können. Hamburg versucht, mit günstigen Krediten seiner Förderbank gegenzuhalten. Das ist lobenswert, wird aber nicht reichen.
Und damit nicht genug: Auch der Wirtschaftsbau gerät zunehmend in die Krise. Investoren erzielen zwischenzeitlich auch außerhalb der Immobilienwirtschaft gute Renditen und mit dem zunehmenden Trend zum Homeoffice lässt sich der Bedarf an Bürogebäuden derzeit nur schwer abschätzen. Eine Pleitewelle bei den Projektentwicklern, die ihre Geschäftsmodelle auf Niedrigzinsen aufgebaut haben, trifft Hamburg zudem gegenwärtig hart, nicht zuletzt, weil durch Fehlentscheidungen der Stadt hier leider ein besonderes „Klumpenrisiko“ entstanden ist. Allein im Infrastrukturbau sind die Prognosen gegenwärtig etwas besser, jedenfalls solange Hamburg auch weiterhin seine Straßen, seine Rad- und Fußwege großflächig saniert.
Den einen Königsweg aus dieser Krise gibt es nicht. Es müssen vielmehr alle Register gezogen werden, um insbesondere den Bedarf an Wohnraum auch weiterhin zu befriedigen und soziale Verwerfungen zu verhindern. Dazu gehört vor allem eine massive Förderung des Wohnungsbaus, die Hamburg allein aber nicht stemmen kann und die von der Bundesebene gegenwärtig nicht zu erwarten ist. Ebenso gehört dazu die kluge Vergabe von städtischen Grundstücken, die nicht nur nach dem höchsten Preis fragt. Schließlich wird man auch über viele unkonventionelle Wege wie etwa die Umwandlung von Büros in Wohnraum, die Anpassung von Geschosshöhe bei gleichzeitiger Förderung von Aufstockungen und die Freigabe von Gewerbegebieten für das Wohnen nachdenken müssen. Vor allem aber bedarf es endlich einer massiven Entbürokratisierung des Bauens, die nicht nur in Sonntagsreden beschworen wird, sondern in der Realität umgesetzt wird. Dazu gehört eine nachhaltige Entrümplung der viel zu komplizierten Bauvorschriften oder die Einführung eines „Gebäudetyps E“, sowie der Verzicht auf Bau- und Umweltstandards, die zwar „nice to have“ sind, aber das Bauen massiv verteuern.
Trotz all dieser Herausforderungen: Hamburg ist und bleibt eine hoch attraktive Metropole, zum Wohnen ebenso wie zum Arbeiten und sie wird auch weiterhin viele Menschen anziehen, die hier leben und arbeiten, ihr Unternehmen gründen oder ihren Ruhestand genießen wollen. Mehr denn je sind die Stadtväter allerdings gefordert, die ihnen zu Gebote stehenden Instrumente der Stadtentwicklung klug zu nutzen, um Hamburg für alle Schichten der Gesellschaft lebens- und liebenswert zu erhalten.
RA Michael Seitz
Hauptgeschäftsführer Bau-Innung Hamburg und Norddeutscher Baugewerbeverband e. V.,
Vorsitzender und Sprecher der Hamburger Bau- und Ausbauwirtschaft e. V.