Stadtentwicklung in Selb

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Ulrich Pötzsch
Oberbürgermeister Kreisstadt Selb
© Kreisstadt Selb

Die Designstadt Selb liegt im ländlichen Raum am nördlichen Rand des Fichtelgebirges und bildet mit der Nachbarstadt Asch in Tschechien ein gemeinsames Oberzentrum. Selb ist über die Bundesautobahn A93 Regensburg-Hof unmittelbar an eine der wichtigsten europäischen Verkehrsachsen in Nord-Süd-Richtungen angebunden.

Selb ist auch bekannt als die Stadt des Porzellans. Bis Mitte der 1990er Jahre war die Porzellanindustrie der dominierende Wirtschaftszweig. Nach dem drastischen Schrumpfungsprozess in der Branche, musste die Stadt einen umfassenden industriellen Strukturwandel bewältigen. Die 15.000-Einwohner-Stadt hat sich zwischenzeitlich zu einem Industriestandort entwickelt, an dem sich neben der keramischen Industrie weitere Industriezweige, wie der Maschinen- und Anlagenbau, die Automobilzulieferindustrie, die Herstellung von Halbleiterbauelementen und passiver elektronischer Bauteile und die Kunststoffverarbeitung etabliert haben. Das Porzellan zeigt sich noch heute in vielfältiger Weise im Stadtbild.

Selb verfügt über ein breites Angebot an Sport- und Freizeiteinrichtungen. Hier sind insbesondere das Hallenbad im Rosenthal-Park, das idyllisch gelegene Waldbad „Langer Teich“, Tennis-, Reit- und Sporthallen, sowie das aktuell expandierende Eissportcenter zu nennen. Neben den Sportmöglichkeiten bietet Selb ein umfangreiches kulturelles Angebot. Mit dem Rosenthal-Theater, dem „Porzellanikon“ und dem kommunalen Kino „Spektrum“ stehen wichtige Spielstätten zur Verfügung. Ein breites Angebot für Kinder, Jugendliche und Senioren, sowie Bildungsangebote bis hin zur Hochschule für Produktdesign runden das Angebot der Kleinstadt ab und schaffen in Ergänzung zu der reizvollen Landschaft die Voraussetzungen für eine hohe Lebensqualität in einer Region, die sich zu Recht „Freiraum für Macher“ nennt.

Selb hat den Strukturwandel von der Monostruktur Porzellan zu einem breit aufgestellten Industriestandort innerhalb der letzten 25 Jahre gut gemeistert. Allein vier weltweit agierende Hidden-Champions haben ihren Sitz in der Stadt. Die Veränderungen haben auch im Städtebau zu großen Umbrüchen geführt. Als Pilotstadt im Experimentellen Wohnungs- und Städtebau, dem Forschungsprogramm Stadtumbau West des Bundesbauministeriums wurden nach der Jahrtausendwende zahlreiche Maßnahmen zum nachhaltigen Umbau der Stadt unternommen. Neben der Diversifizierung im Industriebereich wurden vor allem im Wohnungsmarkt große Anstrengungen unternommen, barrierefreien und zeitgemäßen Wohnraum anzubieten. Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft SelbWERK hat mit einem umfangreichen Modernisierungsund Neubauprogramm hier Pionierarbeit geleistet. Die städtischen Bildungseinrichtungen wurden ebenfalls für die Zukunft fit gemacht. Bereits Anfang der 2000er Jahre hat die Stadt Selb mit intensiver Bürgerbeteiligung ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK) von einer Expertengruppe erstellen lassen und damit an Planungskultur der späten 1960er Jahre angeknüpft. Seinerzeit hatte Walter Gropius einen Stadtentwicklungsplan für Selb erarbeitet. Aufbauend auf das ISEK wurde für die Innenstadt ein Masterplanprozess in Gang gesetzt, der unter breiter Beteiligung der Bevölkerung zu umfassenden städtebaulichen Erneuerungen geführt hat und der zielstrebig fortgesetzt wird. Um die Qualität in den Planungsprozessen zu sichern, wurden mehrere Architekturwettbewerbe durchgeführt. Insbesondere im Städtebau hat die Stadt Selb durch die fünffache Teilnahme an „Europan“, dem größten europäischen Planungswettbewerb für junge Planer vielfältige Ideen für die Umsetzung erhalten und schließlich auch in die Tat umgesetzt. Mit dem Bau eines Hauses der Tagesmütter hat ein spanisches Planungsteam u. A. den renommierten Bauwelt-Preis erhalten. Daneben bietet die Stadt regelmäßig Studierenden verschiedener Hochschulen spannende, praxisgerechte Aufgabenstellungen. Basierend auf den Ergebnissen eines städtebaulichen Wettbewerbs wird mit einem Investor ein städtebaulicher Vertrag geschlossen, der die Neuordnung eines Drittels der Innenstadt zur „Neuen Mitte Selb“ sichern soll. Außerdem bereitet sich die Stadt auf die Durchführung der Bayerisch-Tschechischen Freundschaftswochen im Jahr 2023 vor. Hierzu werden elf städtebauliche Projekte umgesetzt, die in den Stadtumbauprozess eingebunden sind. Neben der umfassenden Aufwertung von innerstädtischen Parkanlagen und wichtigen Verkehrsprojekten geht es hier um die Neuordnung des von der Deutschen Bahn erworbenen Geländes rund um den Bahnhof Selb-Stadt. Hier soll neben einem intermodalen Verkehrsknotenpunkt ein neuer Platz entstehen, um den sich Wohnen, Kleingewerbe und Dienstleistung etabliert. Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft errichtet im Rahmen eines Pilotprojektes des Bayerischen Bauministeriums das Modellvorhaben „Klimaanpassung im Wohnungsbau“. Als eine weitere wichtige Aufgabe steht der Umbau des fließenden Verkehrs an, der dem Fußgänger und Radfahrer in Zukunft mehr Bedeutung beimessen soll. Bereits in den zurückliegenden Jahren wurden neue Fahrradwege zum Stadtzentrum errichtet. Nun gilt es, diese innerstädtisch miteinander zu verbinden und dem Radfahrverkehr mehr Sicherheit zu verschaffen.

Die Energiewende wurde in Selb mit dem Bau einer Bürger-Windkraftanlage und Solarparks bereits früh eingeleitet. Mit dem erzeugten Strom wird bereits jetzt Energieautarkie erreicht. Dem Wohnen in der zentralen Innenstadt wird wieder mehr Bedeutung beigemessen. So hat der Stadtrat einen Selbstbindungsbeschluss gefasst, wonach keine neuen Wohnbaugebiete auf der grünen Wiese erschlossen werden sollen, bevor nicht die vorhandenen Potenziale ausgeschöpft sind. Der Trend geht zur 15-Minuten-Stadt, bei der man von seinem Wohnstandort innerhalb von 15 Minuten alle wichtigen Einrichtungen der Bereiche Bildung und Soziales und die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs erreichen kann. Die neuen Wohnmöglichkeiten in der Innenstadt sollen weiter zukunftsweisend ausgebaut und vernetzt werden. Grundlage hierfür ist wiederum das Ergebnis eines internationalen Planungswettbewerbs, dessen Ergebnisse nach der Workshop-Phase gemeinsam mit regionalen Partnern in einem nachhaltigen Konzept umgesetzt werden soll. Die Stadt Selb stellt sich den Herausforderungen des „Neuen Europäischen Bauhauses“ und will hierzu ihren Beitrag leisten.

Ulrich Pötzsch
Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Selb