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Interview mit Minister Olaf Lies: Zukunft der Landes- und Städteentwicklung in Niedersachsen

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Für das dba Magazin hat die dba Redaktion mit Olaf Lies, dem Niedersächsischen Minister für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung über aktuelle Herausforderungen und Zukunftsvisionen in der Landes- und Städteentwicklung gesprochen. Im Interview geht es um bezahlbaren Wohnraum, Klimaneutralität im Bauwesen, die Entwicklung urbaner und ländlicher Räume sowie um die Bedeutung einer leistungsfähigen Infrastruktur.

Minister Lies erläutert, welche Maßnahmen die Landesregierung ergreift, um Wohnen bezahlbarer zu machen, die Genehmigungsprozesse zu beschleunigen und Niedersachsen als Wirtschaftsstandort weiter zu stärken. Besonders im Fokus stehen zudem Investitionen in erneuerbare Energien, Brückensanierungen und die Digitalisierung der Verkehrsinfrastruktur.

Portrait von Minister Olaf Lies
Olaf Lies, Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung. © MW Scheffen

[dba Redaktion] Sehr geehrter Herr Minister Lies, wir freuen uns sehr, mit Ihnen ein Interview über Ihre Arbeit und Visionen zu führen. Zum Einstieg interessiert uns Ihre persönliche Perspektive: Welche Themen und Projekte stehen für Sie in der Landes- und Städteentwicklung derzeit an oberster Stelle?

[Herr Minister Lies] „Unser oberstes Ziel als Landesregierung ist es zunächst, wieder mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Bauen, Wohnen und Mieten muss wieder günstiger werden für die Privatleute genauso wie für Unternehmen, Wohnungs- und Hauseigentümer. Eine der größten Herausforderungen ist dabei, Bezahlbarkeit und Klimaneutralität zusammen zu bringen. Da müssen wir pragmatisch ran und uns die Frage stellen: Welche Maßnahmen bringen echte Verbesserung und sind dabei realistisch leistbar und umsetzbar?

Wir müssen so beispielsweise weg von der Betrachtung der einzelnen Immobilien und hin zu Quartiersansätzen. Auch der kommunalen Wärmeplanung wird da eine große Bedeutung zukommen. Die haben wir in Niedersachsen schon lange gesetzlich verankert. Ohne die wird es schwierig, die Klimaziele im Gebäudesektor zu erreichen. Wir haben außerdem in Niedersachsen mit der Novellierung unserer Bauordnung einen mutigen Schritt nach vorne gemacht, dem jetzt weitere folgen werden. Das hat bundesweit Beachtung gefunden.

Wir wollen, dass der Staat wieder lernt, mehr loszulassen. Das bedeutet kein Bauen ohne Regeln, sondern dass die Verantwortung wieder da wahrgenommen wird, wo sie hingehört – bereits bei den Antragstellern – und diese nicht auf die genehmigenden Stellen abgewälzt wird. So entlasten wir die Genehmigungsbehörden und am Ende heißt das: Es geht einfacher, schneller und preisgünstiger.“

Innenstadt Hannover und Stadtzentrum Helmstedt
Innenstadt Hannover / Stadtzentrum Helmstedt in Niedersachsen. © stock.adobe.com/ Leinemeister & ArTo

[dba Redaktion] Ein Ziel in der rot-grünen Regierungspolitik in Niedersachsen ist es, „gute Lebensbedingungen in Stand und Land“ zu schaffen. Was bedeutet das für Sie und welche konkreten Maßnahmen werden dafür aktuell umgesetzt?

[Herr Minister Lies] „Diese guten Lebensbedingungen in Stadt und Land sind stark von der verfügbaren Infrastruktur und einer gleichwertigen Entwicklung in urbanen und ländlichen Gebieten abhängig. Mit Unterstützung der Städtebauförderung werden Ortszentren wieder belebt und Wohnquartiere modernisiert. Durch weitere gezielte Investitionen in die soziale Infrastruktur schaffen wir in der Städtebauförderung attraktive Lebensbedingungen.

Mit unserer Landesförderung „Gute Nachbarschaft in Niedersachsen“ unterstützen wir zudem bereits seit 2017 städtische Quartiere und ländliche Zentren mittels Gemeinwesenarbeit vor Ort. Damit werden soziale Strukturen in den Quartieren gestärkt. Wir fördern also mit unseren Programmen die regionale Entwicklung, wir setzen aber parallel auf den Aufbau von regionalen Strukturen, die dann gut vernetzt mit ihrer großen Initiative die Lage vor Ort verbessern.“

[dba Redaktion] Der soziale Wohnungsbau ist ein drängendes Thema. Welche Ansätze werden bei der Städteentwicklung in Niedersachsen umgesetzt, um ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen?

[Herr Minister Lies] „Unser Ziel ist es, bezahlbaren Wohnraum durch eine Kombination aus sozialem Wohnungsbau, Nachverdichtung und nachhaltiger Quartiersentwicklung zu schaffen. Wir treiben die soziale Wohnraumförderung voran und erleichtern Investitionen sowohl in den Bau als auch die Modernisierung von Wohnungen. Dabei setzen wir auf Partnerschaften mit Kommunen, Genossenschaften und privaten Akteuren. Gleichzeitig stärken wir die Bauleitplanung, um Flächen effizient zu nutzen und lebendige, durchmischte Stadtteile zu fördern. Auch unsere Landeswohnungsgesellschaft WohnRaum Niedersachsen nimmt nun Fahrt auf. Über sie wollen wir Projekte umsetzen, die auf Grund der aktuell schwierigen Rahmenbedingungen nicht mehr realisierungsfähig waren. Mit der Gesellschaft schaffen wir neuen Wohnraum. Sie ist eine gute Ergänzung all unserer anderen Maßnahmen.“

Der Ausbau für das Wasserstoffnetz in Deutschland nimmt fahrt auf. Wasserstoff-Piplines und blauer Himmel
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[dba Redaktion] Niedersachsen ist auch ein bedeutender Wirtschaftsstandort. Wie sichern Sie die Attraktivität für große Unternehmen, die Arbeitsplätze in der Region schaffen?

[Herr Minister Lies] „Niedersachsen bietet Unternehmen beste Voraussetzungen – von einer starken Infrastruktur über gut ausgebildete Fachkräfte bis hin zu innovativen Forschungslandschaften. Besonders wichtig ist die hervorragende Energieversorgung. Sie basiert auf diversifizierten, unabhängigen Quellen sowie einem gut ausgebauten Strom- und Gasnetz. Um Investitionen anzuziehen und Arbeitsplätze zu schaffen, wollen wir da noch besser werden. Dazu gehören eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur auf Straße, Schiene und Wasserstraße, der Ausbau erneuerbarer Energien sowie die genannte zuverlässige Energieversorgung.

Vor allem im Bereich der Wasserstoffwirtschaft wollen wir Niedersachsen als führenden Standort etablieren. Nehmen wir beispielsweise das Net-Zero-Valley Norddeutschland, dass sich vom Westen über die gesamte Küste bis nach Stade erstreckt. Hier schaffen wir eine Modellregion für klimaneutrale Industrie und innovative Technologien. Mit dieser Kombination aus Innovation, Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Stärke sorgen wir dafür, dass Niedersachsen ein Top-Standort für Investitionen und neue Arbeitsplätze bleibt.“

[dba Redaktion] Viele infrastrukturelle Probleme beschäftigen momentan die Bürger:innen (sanierungsbedürftige Bahnstrecken und Brücken, Glasfaserabdeckung, erhöhter Bedarf erneuerbarer Energien). Wie steht es um die Infrastruktur in Niedersachsen?

[Herr Minister Lies] „Der Infrastrukturerhalt ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Hier hat sich an vielen Stellen ein großer Investitionsstau aufgebaut. Da ernten wir gerade die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte. Es hilft ja aber nichts, wir arbeiten jetzt mit höchstem Druck daran, diese Defizite wieder zu beseitigen.

Beim Stichwort Glasfaser gelingt dies sehr gut: Der Ausbau läuft in Niedersachsen weiterhin zügig und vergleichsweise geräuschlos. Da liegen wir bundesweit auf einem Spitzenplatz. Die Zeiten von Kupferkabel für schnelles Internet neigt sich bei uns tatsächlich dem Ende zu. In Niedersachsen ist für 60 Prozent der Haushalte ein Anschluss an das Glasfasernetz verfügbar. Damit liegen wir bei der Versorgung auf Platz 2 unter den Flächenländern und nur noch zwei Prozentpunkte hinter dem Spitzenreiter-Land Schleswig-Holstein. Mit den bereits heute geplanten und im Bau befindlichen Ausbauprojekten wird sich die Zahl auf fast 80 Prozent erhöhen. Bei der breitbandigen Mobilfunkversorgung zeichnet sich übrigens ein sehr ähnliches Bild.

Auch um unsere Brücken kümmern wir uns mit noch nicht da gewesener Intensität: Wir sind für etwa 4.800 Brücken zuständig, 150 davon müssen ersetzt werden. Damit dies gelingt, haben wir gerade einen „Masterplan Brücke“ aufgelegt. Diese 150 Brücken, die 2023 in den Kategorien „Kritisch“ und „Ausfall“ eingestuft wurden, haben einen Planungsauftrag und sind in Bearbeitung. Jede fertig geplante Brücke wird sofort gebaut.

Der „Masterplan Brücke“ sorgt mit vielen Maßnahmen dafür, dass die Anzahl der kritischen Brücken konstant unter 100 gebracht wird und dort gehalten werden kann. Der wichtigste Baustein dafür sind neue Ingenieurstellen: Die Landesregierung setzt hier ein klares Zeichen. Im nächsten Haushaltsjahr werden Mittel für 10 zusätzliche Stellen für Brückeningenieure bereitgestellt. In den Folgejahren sollen weitere 20 Stellen dazukommen.“

[dba Redaktion] 2016 wurde der Bundesverkehrwegeplan 2030 (BVWP 2030) für die Verkehrsträger Schiene, Straße und Wasserstraße beschlossen. Welche Meilensteine wurden für die Verbesserung der Infrastruktur in Niedersachsen bisher erreicht, und wo liegen die größten Herausforderungen?

Schiff fährt auf die Kaiser Wilhelm Brücke in Wilhelmshaven zu.
Kaiser Wilhelm Brücke in Wilhelmshaven © stock.adobe.com/ Hans Sehringer

[Herr Minister Lies] „Mit dem Bundesverkehrswegeplan 2030 wurden wichtige Weichen für die Verkehrsinfrastruktur in Niedersachsen gestellt. Erste Meilensteine sind erreicht, doch große Herausforderungen bleiben.

Zu den zentralen Schienenprojekten gehören das optimierte „Alpha-E“ mit Bremen, der Ausbau der Strecke Hannover – Bielefeld, weitere Streckenerweiterungen, Elektrifizierungen sowie die Knotenprojekte Hannover und Hamburg. Ein zentraler Punkt bleibt zudem die Bereitstellung der nötigen finanziellen Mittel, um sowohl die Sanierung als auch den Ausbau der Hauptkorridore effizient umzusetzen.

Im Bereich Wasserstraßen sind wir bei der Mittelweser schon so manchen Schritt weiter. Weitere Projekte, wie am Küstenkanal oder der Dortmund-Ems-Kanal Nordstrecke, befinden sich noch in der Planungsphase. Angesichts des noch zu bewältigenden Planungsaufwands erscheint eine vollständige Umsetzung des Bedarfsplans Wasserstraße bis 2030 aber nicht realistisch.

Und bei der Straße wollen wir zeitnah bei den drei größten und für Niedersachsen bedeutendsten Projekten – dem Lückenschluss der A39 im Osten, dem Bau der Küstenautobahn A20 im Norden und dem Ausbau der E233 im Westen – erhebliche Schritte weiterkommen. Hier sind wir mit dem Bundesverkehrsministerium in enger Abstimmung. Da wollen wir gemeinsam weiterkommen, bevor sich planerische Zeitfenster schließen.
Die größten Herausforderungen liegen in der zügigen Planung und Umsetzung. Und parallel muss sichergestellt sein, dass auch die notwendigen finanziellen Mittel bereitstehen. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass wir durch eine enge Zusammenarbeit von Bund, Land und den betroffenen Regionen die notwendigen Schritte erfolgreich gehen können, um die Infrastruktur in Niedersachsen weiter voranzubringen.“

[dba Redaktion] Abschließend möchten wir fragen, ob Sie eine Botschaft rund um die Landes- und Städteentwicklung haben, die Sie den Bürger:innen in Niedersachsen mitgeben möchten?

[Herr Minister Lies] „Jede Stadt, jede Gemeinde, jedes Dorf ist immer so stark wie die Gemeinschaft, die sie tragen und prägen. Mein Ziel ist es, unsere Städte und Gemeinden in Niedersachsen zu Orten zu machen, an denen sich Menschen wohlfühlen, gerne leben und ein starkes Miteinander erleben können. Besonders unsere Innenstädte stehen im Zentrum, sie sind viel mehr als nur Einkaufsstraßen – sie sollen grüne, lebendige und kulturell vielfältige Orte werden, an denen Menschen sich begegnen und verweilen können. Sie sind der Ausgangspunkt für ein neues gesellschaftliches Miteinander.

Das schaffen wir nur gemeinsam. Es geht um bezahlbare Preise für Mieten zum Wohnen und genauso für unsere Unternehmen. Es geht um eine gute, nachhaltige Erreichbarkeit über alle Verkehrsträger hinweg. Es geht um attraktive öffentliche Räume. Gleichzeitig müssen wir die lokalen Betriebe und den Einzelhandel stärken, damit unsere Innenstädte wirtschaftlich lebendig bleiben.

Ich lade alle Bürgerinnen und Bürger ein, sich aktiv in diesen Prozess einzubringen. Ihre Ideen, Ihre Perspektiven und Ihr Engagement machen den Unterschied, damit Niedersachsen auch in Zukunft lebenswert für alle Generationen bleibt.“

[dba Redaktion] Herr Minister, wir danken Ihnen herzlich für Ihre Zeit sowie die spannenden Einblicke. Selbstverständlich wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg bei der Planung und Umsetzung Ihrer Projekte!