Liebe Leserinnen und Leser,
die letzten Tage, Wochen und Monate war es ein wiederkehrendes Thema in der Presse: Der Wohnungsnotstand in Deutschland ist so groß wie nie zuvor. Laut der aktuellsten Studie fehlen 700.000 Wohnungen. Es gibt wohl kaum eine Stadt, zumindest nicht hier im Südwesten Deutschlands, die nicht von Wohnungsnot betroffen ist. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat zudem nicht nur eine Energiekrise ausgelöst, sondern den Druck auf den Wohnungsmarkt weiter erhöht.
Verschärft wird diese Situation noch durch weitere, parallel einhergehende Entwicklungen: Da sind zum einen die Knappheit von Baumaterialien, Lieferzeiten von vielen Monaten, die Teuerungsrate am Bau von 17 Prozent, der Fachkräftemangel, mittlerweile auf allen Ebenen und in allen Bereichen.
Da ist zum anderen der Klimawandel und die Notwendigkeit, sich auch im Städtebau anzupassen und mit neuen Anforderungen umzugehen. Denn die Anpassung an den Klimawandel stellt mittlerweile nicht nur eine „nice-to-have“-Option dar, sondern ist eine schiere Notwendigkeit, soll die Lebensqualität unserer Städte erhalten bleiben. Schon jetzt erhitzen sich die asphaltierten Räume in Städten und Gemeinden – mehr als je zuvor. Grüne und blaue Infrastruktur sowie das Prinzip der Schwammstadt gehören inzwischen zu wichtigen stadtplanerischen Strategien für lebenswerte Innenstädte.
Als Kommune sind wir aber auch verantwortlich für die „Dritten Orte“: Die Räume (nach dem Zuhause als erstem und dem Arbeitsplatz als zweitem Ort), bei denen wir als Kommune die größten Gestaltungsmöglichkeiten haben. Dritte Orte sind Räume der Begegnung. Das können öffentliche Räume im Stadtraum sein, aber auch halböffentliche Orte wie Bahnhöfe, Bildungseinrichtungen, Sport- oder Kulturstätten.
Dies sind die Rahmenbedingungen, dabei gilt es, vieles abzuwägen: Nachverdichtung versus Erhalt von mikroklimatisch wichtigen Frischluftachsen, Schaffung von möglichst hohem Wohnraumangebot versus Verträglichkeit und Maßstäblichkeit der – vorhandenen – Nachbarschaft, der Wunsch nach individueller Mobilität versus autofreier Zonen und einer Stadt der kurzen Wege. Die Lösung wird am Arbeiten mit dem Bestand nicht vorbeikommen.
Wir müssen uns auch bewusst sein: Architektur und Städtebau müssen eine Aufenthaltsqualität für jeden Bürger erreichen, Architektur ist nicht etwas, was jeder einzelne im stillen Kämmerlein vor sich hin basteln kann – sie geht jeden etwas an. Und darin liegt die Verantwortung, bei jedem, der baut.
Bei all diesen Herausforderungen wünsche ich Ihnen Ausdauer und Erfolg!
Ihr
Andreas Brand
Oberbürgermeister Stadt Friedrichshafen