Qualität statt Quadratmeter - Neuer Wohnraum für die Schwarmstadt

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Uli Burchardt
Oberbürgermeister der Stadt Konstanz
© Stadt Konstanz

Liebe Leserinnen und Leser,

unsere Städte stehen weltweit vor großen Herausforderungen: der Trend der Urbanisierung, das Wachsen der Städte, die Frage nach bezahlbarem Wohnraum. Städte und Gemeinden sind gefordert, die Wohnungsfrage in Einklang zur bringen mit Anforderungen an den Klimaschutz, Klimaauswirkungen und Energiekrise.

Schwarmstädte wie Konstanz gehören bundesweit zu den Kommunen mit steigenden Bevölkerungsprognosen. Die Grundlage dafür, dass die Stadt für alle Bevölkerungsschichten und Familien attraktiv und lebenswert bleibt, ist mittel- und langfristig die Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, braucht es wirksame Instrumente und eine finanzielle Förderung von Bund, Ländern und Kommunen.

Ein sensibler Umgang mit wertvollen Flächen, die Berücksichtigung von Klimaschutz und Nachhaltigkeit, Klimawandelanpassung und die Mobilitätswende erfordern von Städten und Gemeinden viel mehr als einen Blick auf die quantitativen Zahlen von erforderlichem Wohnraum. Die Betrachtung der einzelnen Wohnung kann heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Wirksame Lösungen zur Wohnungsbauentwicklung liegen in intelligenten Quartierslösungen und einem Zusammendenken der Anforderungen an bezahlbares Wohnen, Mobilität, Energie, Biodiversität, Freiraum, nachhaltige Baustoffe, Nutzungsmischung, Sharing, Integration und Generationenvielfalt.

In Konstanz haben wir deshalb neue strategische Wege in der Planung entwickelt. Wir haben den Wohnraumbedarf systematisch errechnen lassen und gleichzeitig mit der Frage nach Qualitäten verknüpft. Zudem können wir auf eine starke Wohnungsbaugesellschaft bauen, die seit Jahrzehnten für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in Konstanz steht.

Am Anfang des Handlungsprogramms Wohnen stand eine große planerische Herausforderung: Potenzialflächen im gesamten Stadtgebiet wurden systematisch aufbereitet, um zunächst den Grunderwerb und dann die oft langwierigen Planungsprozesse inklusive Bürgerbeteiligung auf den Weg zu bringen zu können. Die geographische Lage der Stadt an der EU-Außengrenze, ein bedeutender Naturraum mit über 60 Prozent geschützten Flächen erfordern einen sehr sensiblen und vorausschauenden Umgang mit den wenigen möglichen Entwicklungspotenzialen. Ein strategisch zentrales Projekt sei hier exemplarisch benannt. Das Modellquartier Zukunftsstadt „Am Horn“ versucht die individuelle Wohnfläche pro Kopf durch ein intelligentes Quartiers- und Sharingkonzept zu reduzieren. Über ein digitales Tool, das LexiKON, übertragen wir unsere mit Unterstützung von Hochschulen und Wissenschaftlern gewonnenen Ergebnisse auf alle Quartiere, um zu mehr standardisierten, nachhaltigen und kosteneffizienteren Lösungen zu kommen.

Ökologische Kriterien sind uns ebenso wichtig wie der Anspruch, ausgewogene Bevölkerungsstrukturen zu schaffen, um die soziale Stabilität und Durchmischung innerhalb der neu entstehenden Quartiere zu sichern. Für Konstanz ein wichtiger Schritt ist die Entwicklung des völlig neuen klimaneutralen Stadtquartiers Hafner mit 45 Hektar im Norden der Stadt. Die Bebauung des Areals mit 3.100 Wohnungen gilt für die Wohnungssituation in Konstanz als Wendemarke: Mit diesem neuen Stadtquartier wird eine spürbare Entspannung auf dem Wohnungsmarkt erwartet.

Von dem neu geschaffenen Wohnraum profitieren vor allem die KonstanzerInnen, die gerne in ihrer Stadt wohnen bleiben möchten. Beobachtungen aus der Praxis scheinen diese Untersuchung zu unterstützen. So sind die Zahlen der Härtefälle auf der Liste der städtischen Wohnungsbaugesellschaft WOBAK nach Jahren des Anstiegs deutlich rückläufig. Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist heute eine der wichtigsten sozialen Aufgaben einer Stadt. Hier entscheidet sich, ob unsere Städte lebenswert für alle Bevölkerungsgruppen bleiben. Wir haben kaum Einfluss auf den Zuzug. Umso wichtiger bleibt es, den Wegzug wichtiger Bevölkerungsgruppen zu vermeiden. Die Verdrängung ins Umland hat gravierende ökologische Nachteile. Das Ausweichen ins Umland fördert die Zersiedlung, da vor allem im ländlichen Raum oft weniger dicht gebaut wird. Außerdem entsteht dadurch mehr Verkehr, da die Zahl der Pendler zunimmt.

Jede in Konstanz gebaute Wohnung trägt dazu bei, diese ökologischen Nachteile zu vermeiden. Flächeneffiziente klimaneutrale Quartiere zu bauen und diese Aufgabe weiter ambitioniert anzugehen, ist mir und meinen Kolleginnen und Kollegen in der Stadtverwaltung Auftrag und Ansporn zugleich.

Uli Burchardt
Oberbürgermeister der Stadt Konstanz