Bezahlbares Wohnen in der Universitätsstadt Gießen

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Frank-Tilo Becher
Oberbürgermeister Gießen
© Anna Voelzke

Dass bezahlbares Wohnen inzwischen zu einer der zentralen sozialen Fragen unserer Zeit geworden ist, stellt keine neue Erkenntnis, aber eine anhaltende Herausforderung dar. Dies gilt nicht nur für die großen Metropolen in unserem Land, sondern auch für eine wachsende Stadt wie die Universitätsstadt Gießen. In den zurückliegenden zehn Jahren nahm die Zahl unserer Einwohnerinnen und Einwohner um mehr als 14 Prozent zu und liegt nun bei über 90.000. Und dieser Trend wird weiter anhalten: Verschiedene Bevölkerungsprojektionen sagen der Stadt Gießen ein weiteres Wachstum auf 94.500 bzw. 95.200 Einwohnerinnen und Einwohner bis 2030 voraus. Was einerseits ein eindrucksvolles Zeichen für die Attraktivität unserer Stadt und die Lebensqualität bei uns ist, stellt die städtischen Verantwortlichen vor große Fragen: Wie werden wir den Mobilitätsanforderungen einer stetig wachsenden Bevölkerung gerecht? Wie sichern wir den sozialen Zusammenhalt unserer Stadtgesellschaft? Und eben: Wie sorgen wir für ausreichend bezahlbaren Wohnraum?

Der Gießener Wohnraumversorgungsbericht weist einen Wohnungsbedarf von gemittelt circa 5.000 Wohneinheiten bis 2030 aus. Davon sollten 1.000 bis 1.500 Wohnungen mit Sozialbindungen entstehen. Dabei stehen Gießen – wie vielen anderen Städten auch – aufgrund des Stadtgebietszuschnitts und der umfangeichen Restriktionsflächen – kaum Flächen für Siedlungserweiterungen zur Verfügung.

Zudem hat sich die Universitätsstadt Gießen im Jahr 2019 – ausgehend von einem Bürgerantrag – zum Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral zu werden. Um das Ziel „Gießen 2035Null“ zu erreichen, müssen wir auf ein qualitatives moderates Wachstum mit dem energetischen Umbau von Wohnungsbeständen setzten, ohne dabei die soziale Verträglichkeit der Mietkosten aus dem Blick zu verlieren.

Um diese Ziele miteinander in Einklang zu bringen, bedient sich die Universitätsstadt Gießen gleich mehrerer Instrumente: Förderprogrammen wie beispielsweise „Sozialer Zusammenhalt“ oder „Wachstum und Erneuerung“ tragen zur integrierten und innovativen Stadtentwicklung bei. Bereits mit dem Beschluss im Jahr 2015 zum „Investitionsprogramm soziales Wohnen 2016 – 2018“ setzte die Stadtverordnetenversammlung deutliche Impulse für die Erhöhung der Attraktivität der Landesförderprogramme. Mithilfe dieses mittlerweile verlängerten kommunalen Förderprogramms wird der Neubau von öffentlich geförderten Sozialwohnungen mit einer Kaltmiete von maximal 6,80 Euro pro Quadratmeter gefördert. Über städtebauliche Verträge werden Sozialquoten mit Investoren von etwa 20 Prozent gesichert. Zudem sind 10 Prozent mietgeminderte Wohneinheiten (zwei Euro unter der ortsüblichen Vergleichsmiete) in Neubaugebieten zu errichten. Auch die Fehlbelegungsabgabe wurde wieder eingeführt, deren Mittel unmittelbar dem sozialen Wohnungsbau der Stadt Gießen zu Gute kommen und zum Beispiel für den Ankauf von Belegungsrechten verwendet werden. Da fast jede vierte Wohnung im Besitz einer Wohnungsbaugesellschaft in Gießen ist, konnte das Mietniveau in Gießen – immerhin die Stadt mit der höchsten Studierendendichte Deutschlands – auf einem vergleichsweise moderaten Niveau gehalten werden.
Beispielhaft für eine nachhaltige und innovative Quartiersentwicklung ist die Konversion des ehemaligen Motorpool-Geländes, heute die „Philosophenhöhe“, die mit ihren ökologischen, ökonomischen, energetischen, technischen, mobilitätsbezogenen und sozialen Nachhaltigkeitsaspekten neue Maßstäbe setzt: Nach der bereits erfolgten Umnutzungen von benachbarten Teilen des ehemaligen militärischen Areals in Wohn- und Nahversorgungsnutzungen konnte die Stadt die knapp acht Hektar große Restfläche im Rahmen einer Erstzugriffsoption vom Bund erwerben und wird sie zu einem gemischten Quartier mit rund 300 energieeffizienten Wohnungen (davon circa 100 Sozialwohnungen), Dienstleistungen, einem Familienzentrum, attraktiven Grünzonen sowie einem getrennt erschlossenen Gewerbegebiet entwickeln. Hierzu wurde eine Testplanung mit drei Büros durchgeführt, ein Bebauungsplan mit umfangreicher Bürgerbeteiligung aufgestellt und sowohl für eine Bauträgerfläche, für ein Baufeld für gemeinschaftliche Wohninitiativen als auch für die Gewerbegrundstücke Konzeptqualitätsvergabeverfahren durchgeführt. Bei diesem innovativen Instrument der Konzeptverfahren entscheidet nicht der Angebotspreis alleine über die Vergabe eines städtischen Grundstücks, sondern die städtebauliche, architektonische, ökologische bzw. gemeinwohlorientierte Qualität. Hiermit wurden gute Erfahrungen gemacht hinsichtlich der Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum, einem künftigen lebendigen Quartier mit Nutzungsvielfalt und kurzen Wegen und nachhaltiger Mobilität.

Kernstück des Gebietes ist aber ein im Rahmen eines Forschungsprojektes entstehender Hochtemperaturspeicher, der durch die auf allen Gebäuden zu installierenden PV-Anlagen gespeist wird und zu einem energetisch größtenteils autarken Gebiet beiträgt. In diesem Gebiet entstehen zudem eine Versickerungsanlage sowie Vorkehrungen gegen Starkregenereignisse. Auch mit den orts- und standortangepassten Begrünungen und wasserdurchlässigen Befestigungen wird den künftig zu erwartenden klimatischen Bedingungen entsprochen.
Hier zeigt sich exemplarisch: Die Vereinigung der Ziele von ökologischer Nachhaltigkeit und sozialer Ausgewogenheit muss kein Widerspruch sein. Vielmehr sind sie Motoren für die Entwicklung innovativer Konzepte für die Entwicklung von Quartieren und Wohnraum. Bund und Länder sind gefordert, Städte und Gemeinden bei der Realisierung ideenreicher, anspruchsvoller und an die örtlichen Verhältnisse angepasster Lösungen mit entsprechenden Förderprogrammen zu unterstützen, um der kommunalen Kreativität den nötigen Entfaltungsspielraum zu sichern. Dies ist ein wesentlicher Baustein für das Erreichen von Klimaneutralität bei Sicherung des sozialen Zusammenhalts.
Ihr Frank-Tilo Becher