Nachhaltiges und wirtschaftliches Bauen, klimaneutraler und bezahlbarer Wohnraum

Gert-Uwe Mende
Oberbürgermeister Wiesbaden
© Stadt Wiesbaden

Städte und Kommunen stehen vor vielfältigen Herausforderungen durch veränderte globale Rahmenbedingungen. Die Landeshauptstadt Wiesbaden als Teil der wachsenden Metropolregion Rhein-Main trägt die Verantwortung, die Auswirkungen der Klimakrise zu bewältigen, den Bedarf an mehr bezahlbarem Wohnraum zu decken und moderne Industrie- und Gewerbeflächen bereitzustellen. Deshalb ist es notwendig, sich im Rahmen einer dauerhaft tragfähigen Stadtentwicklungspolitik damit auseinanderzusetzen, wie in Städten in Zukunft gelebt werden soll und wie Quartiere – neue und bestehende – zukünftig nachhaltig geplant oder umgestaltet werden können. Mit der Neuaufstellung des Flächennutzungsplans hat die Landeshauptstadt Wiesbaden die Chance ergriffen, vielfältige Konzepte zusammenzuführen und in eine integrierte gesamtstädtische Strategie zu übersetzen, um die verfügbaren Flächen im Sinne einer zukunftsorientierten und nachhaltigen Stadtentwicklung einzusetzen und gezielt positive Entwicklungen im Sinne des Gemeinwohls einzuleiten.

Das größte Hindernis für eine zukunftsorientierte, sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Stadtentwicklungspolitik sind Flächenknappheit und steigende Bodenpreise. Die kommunale Steuerung der Stadtentwicklung und die Bewältigung aktueller und künftiger Herausforderungen hängen entscheidend vom Liegenschaftsvermögen sowie vom klugen Umgang mit dem kommunalen Grundbesitz ab. Um die Ziele einer nachhaltigen Stadtentwicklung effizient zu verfolgen, bedarf es neben innovativen Planungskonzepten auch einer strategischen, langfristig orientierten Bodenbevorratung, die dazu dient, die kommunale Handlungsfähigkeit in ihrer Eigentümerfunktion zu stärken. Die Landeshauptstadt Wiesbaden hat den Weg für eine aktive Bodenpolitik bereitet, indem etwa neue Verwaltungsstrukturen für die Erarbeitung einer strategischen Grunderwerbskonzeption eingerichtet und ein ausreichendes Budget für die Bodenbevorratung zur Verfügung gestellt werden.

Bei der Vergabe städtischer Grundstücke geht die Landeshauptstadt Wiesbaden ebenfalls neue Wege. Durch das innovative Instrument der Konzeptverfahren wird ein weiterer Aspekt einer modernen Bodenpolitik realisiert, der einer gemeinwohlorientierten Vergabe von ausgewählten kommunalen Grundstücken unter Berücksichtigung von Qualitätskriterien zu einem fest definierten und zeitgemäßen Erbbauzins vorsieht. Damit soll ein wichtiger Beitrag für die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum, lebendigen Quartieren mit Nutzungsvielfalt und nachhaltiger Mobilität und Energiekonzepten geschaffen werden.

Auch auf der teilräumlichen Ebene brauchen wir Handlungsansätze, um geeignete Strategien und konkrete Maßnahmen zu entwickeln, die Klimaschutz und Klimaanpassung mit den wirtschaftlichen, sozialen und baukulturellen Entwicklungszielen der Städte verknüpfen. Vor diesem Hintergrund haben das Wiesbadener Stadtplanungs- und das Umweltamt seit 2018 gemeinsam anhand eines Modellquartiers ein ganzheitliches Zukunftsbild von Nachhaltigkeit für Wiesbaden entwickelt. Das Konzept formuliert in fünf Themenfeldern wichtige Qualitäten für mehr Nachhaltigkeit im Städtebau:
• Lebendige Stadt … Hier lebst du in einer bunten und urbanen Vielfalt!
• Klimaoptimiertes Stadtgrün … Hier nimmt die Natur ihren Raum ein!
• Sensibles Wassermanagement … Hier geht kein Tropfen Wasser verloren!
• Erneuerbare Energien … Hier versorgst du dich selbst mit nachhaltiger Energie!
• Neue Mobilität … Hier kommst du auch ohne Auto aus!

Mit dem nachhaltigen Quartierskonzept und der integrierten Verzahnung der sektoralen Themen untereinander beschreitet die Landeshauptstadt Wiesbaden einen neuen Weg in der Stadt- und Quartiersentwicklung.

Die Spielregeln für Nachhaltigkeit sind auch Grundlage für die Planung des neuen Stadtteils Ostfeld, der einmalige Chancen für eine integrierte und innovative Stadtentwicklung birgt und neue Maßstäbe nachhaltiger Stadtentwicklung setzen soll.
Bei der zügigen und einheitlichen Baulandentwicklung im Rahmen der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) Ostfeld steht das Wohl der Allgemeinheit im Vordergrund. Um die Bedarfe an Arbeits- und Wohnstätten decken zu können und Wiesbadens Funktion als Oberzentrum gerecht zu werden, soll im Zuge des Projekts ein urbanes Stadtquartier für bis zu 12.000 Bürgerinnen und Bürger mit bis zu rund 5.700 Wohneinheiten entstehen. Eine hohe Quote im geförderten und gemeinwohlorientierten Bereich sowie eine ausgewogene Mischung in Hinblick auf das Wohnraumangebot sollen eine soziale Diversität sichern. Darüber hinaus beinhaltet die Maßnahme die Bündelung der zahlreichen im Stadtgebiet verteilten Standorte des Bundeskriminalamtes an einem zentralen Behördenstandort nördlich der A66, an dem bis zum Jahr 2035 bis zu 7.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten könnten.
Planerisches Ziel der SEM Ostfeld ist die Schaffung eines zukunftsweisenden Stadtteils mit einem ausgewogenen Mix aus Wohnen und Arbeiten, Natur und Biotopstruktur. Dabei verfolgt die Stadt Wiesbaden einige ehrgeizige Ziele, die gemeinsam mit der Entwicklungssatzung politisch beschlossen sind. Neben der Lebendigen Stadt, dem Klimaoptimierten Stadtgrün und dem Sensiblen Wassermanagement erlauben insbesondere die Ziele der Themen Erneuerbare Energien und Neue Mobilität die Implementierung neuartiger innovativer und ressourcenschonender Ansätze in der städtebaulichen Planung.
Für den gesamten Planungsprozess ist die fachliche Begleitung durch externe Fachexperten unter anderem in den Bereichen Energie und Mobilität vorgesehen, um die Vorgaben eines Plus-Energie-Stadtteils mit einem hohen Einsatz von erneuerbaren Energien, einem möglichst geringen CO2-Fußabdruck sowie die Umsetzung eines überwiegend autofreien Stadtteils umzusetzen. Erste Impulse hierfür sollen in einem europaweit ausgeschriebenen städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerb gefunden werden, der derzeit intensiv vorbereitet wird.

Auch bei städtischen Gebäuden selbst rücken Klimaschutz und Nachhaltigkeit immer stärker in den Fokus. Ereignisse der jüngsten Vergangenheit wie Flutkatastrophen oder die extremen Hitzesommer – in Verbindung mit einem stetigen Bevölkerungszuwachs in den Städten – haben gezeigt, dass auch beim Bauen ein Umdenken erfolgen muss. Und wer, wenn nicht die öffentlichen Bauprojekte, sollten hier Vorbildfunktion haben. Aspekte wie Minimierung der Versiegelung, Begrünung von Gebäudeflächen, Photovoltaik sowie generell ein günstiger CO2-Fußabdruck werden immer stärker Maßstab bei Neubauten.

So werden alle städtischen Bauprojekte in Wiesbaden nach neusten energetischen Standards entwickelt und umgesetzt. Ein effizientes Energiemanagement wird dabei von Anfang an mitgeplant und von der Planung über den Bau bis zum Betrieb der Gebäude fachkundig durchgeführt und begleitet. So können Energiekosten von vornherein eingespart werden. Das gilt nicht nur für Neubauten, sondern auch für die Unterhaltung und Sanierung bestehender städtischer Gebäude.

Nachhaltiges Bauen impliziert darüber hinaus auch eine Optimierung des Verhältnisses von Investitions- zu Folgekosten. Ein langer und störungsfreier Lebenszyklus trägt auch bei einer höheren Anfangsinvestition zum einen zur Nachhaltigkeit und zum anderen in der Summe auch zu finanziellen Einsparungen bei, während „Billiggebäude“ häufig energieintensiv, reparaturanfällig und somit am Ende teurer sind.

Die Landeshauptstadt Wiesbaden implementiert derzeit ein Klimaschutzmanagementsystem, das den neuesten Klimastandards entsprechen und den Willen zu mehr Klimaschutz über die Stadtgrenzen hinaus repräsentieren soll. Diese Vorgaben nehmen wir sehr ernst, denn wir werden die negativen Auswirkungen des Klimawandels nicht mehr stoppen, sondern nur noch verlangsamen und dessen Folgen lindern können. Und zumindest dies sollte mit vereinten Anstrengungen geschafft werden – im Interesse kommender Generationen.

Herzlichst


Gert-Uwe Mende
Oberbürgermeister